Nach der Wende




Wende 2.0

Die Leistungen, die Deutschland auf dem Weg der Energiewende bislang erbracht hat, sind beachtlich. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Skeptiker erklärten, Solarstrom habe keine Chance und mit der Windkraft sei auch nicht viel zu gewinnen. Das war die Meinung vieler zum Ende des vergangenen Jahrhunderts.

Dann aber, im Jahr 2000, ist Deutschland mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz einen mutigen Schritt nach vorn gegangenen. Und was viele damals nicht wahr haben wollten, ist heute schon zur Realität geworden: Die Erneuerbaren stemmen bereits einen großen Teil der Versorgung mit Energie. Am 18. April 2013 schafften Sonne und Wind nach Angaben der Leipziger Strombörse wieder eine neue Bestmarke: Mittags produzierten Windräder und Solaranlagen bis zu 35.900 Megawatt Strom und damit mehr als Kohle- und Atomkraftwerke zu diesem Zeitpunkt. Der Spitzenwert aus den Wind- und Solaranlagen an diesem Tag entsprach der Leistung von 26 Atomkraftwerken.

Mehr als 50 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien sind also keine Fiktion mehr. Doch damit ist die Energiewende noch lange nicht geschafft. Viele Experten warnen sogar – und zwar zu Recht – davor, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen ohne nach links und nach rechts zu schauen. Denn bevor wir den Anteil der Erneuerbaren weiter mit der gleichen Dynamik ausbauen, muss dringend die Infrastruktur für das neue Zeitalter geschaffen werden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz war im Jahr 2000 der Schritt in die richtige Richtung. Aber heute brauchen wir neue Maßnahmen, um auch in den kommenden zehn Jahren den richtigen Weg zu gehen. Wir brauchen die Energiewende 2.0. Dazu gehören effiziente Stromspeicher, mit denen wir den Ökostrom für magere Zeiten sichern können. Wir brauchen intelligente Netze, weil wir mehr und mehr von einer zentralen auf eine dezentrale Versorgungsstruktur umstellen. Und vor allem brauchen wir eins: ein neues Marktdesign, damit die Mechanismen von Angebot und Nachfrage auch künftig noch die richtigen Signale senden und keine Fehlsteuerungen für den weiteren Ausbau von Kapazitäten und Infrastruktur senden.

Denn vergessen dürfen wir nicht: Es geht schlussendlich nicht um Rekorde bei der Produktion von Solarstrom und Windkraft. Es geht um eine zukunftsfähige, stabile und preiswerte Stromversorgung. Wir müssen vielleicht auch einmal innehalten und nachdenken, wie wir tatsächlich am besten diese Ziele erreichen. Dabei könnte auch eine ganze Reihe von interessanten Technologien wieder stärker in den Fokus rücken, die angesichts der Euphorie um die erneuerbaren Energien dort nicht mehr standen. Vor allem aber werden wir die Energieeffizienz auf allen Ebenen weiter steigern müssen. Effizienztechnologien brauchen wir für eine sichere, bezahlbare Stromversorgung. Dahin wird uns die Energiewende 2.0 hoffentlich führen.

Michael Gneuss
Chefredakteur
Reflex Verlag GmbH 2013